„Der Nil – die Lebensader von Ägypten“
oder „Eine Liebeserklärung an den Nil“


Liebeserklärung an den Nil


von Willy Forster, Journalist, Fotograf, Ägypten-Kenner und Inhaber von Sindbad-Reisen

Den Nil hatte ich vor vielen Jahren kennen gelernt. Es war auf meiner ersten Ägypten-Reise. Mit einer international zusammen gewürfelten Gruppe sollte dies eine eher abenteuerliche Reise werden, so waren es auch alles jüngere Reiseteilnehmer. Nach zwei Tagen Besichtigungen in Kairo ging es mit dem komfortablen Schlafwagenzug nach Assuan. Nach zwei Tagen in Assuan sollte es am fünften Morgen losgehen: eine Segeltour mit zwei traditionellen ägyptischen Fellukas sollten uns die 229 km Nil hinunter führen nach Luxor. Auf unserer Felluka waren zehn Touristen, begleitet vom alten, sechzigjährigen Bootsführer Ibrahim mit seinem vom Wind und Wetter gegerbten Charaktergesicht. Ibrahim war sehr bescheiden, redete nicht viel und wirkte sehr zufrieden. Ich sah ihn nie etwas essen, nur manchmal hielt er seine Büchse ins Wasser und trank einen Schluck Wasser. Auch hielt er immer eine Angelschnur ins Wasser, aber gefangen hatte er nie etwas. Dann war da noch unser Schiffskoch Basry, der uns kulinarisch verwöhnen sollte die fünf Tage, sowie ein weiterer ägyptischer Begleiter. Wir legten in Assuan ab und verliessen das hektische Treiben und die Stadtatmosphäre mit dem Autohupen und den vielen Hotelschiffen am Quai. Langsam glitten wir wie im Traum im Winde davon, und bald wurde es ruhiger. Wir machten es uns bequem in der Felluka, die keine Bänke hatte und mit Matratzen ausgelegt war, auf denen wir am Tage sassen und in der Nacht schliefen. Im unteren Teil war die Kombüse für den Koch und das Personal. Es ist ein unbeschreiblich schönes Gefühl, langsam und lautlos im Winde daher zu gleiten und wie im Film die mit Palmen bewachsenen Strände links und rechts vorbei gleiten zu sehen. Ochsen und Kühe, die am Ufer grasen, Frauen, die ihre Wäsche im Nil waschen und mit Aluminiumgefässen auf dem Kopf das Wasser für den Haushalt holen und in ihre Häuser auf den Feldern tragen. Fellachen, die ihre Feldarbeit verrichten oder in der Mittagshitze sich unter einer Schatten spendenden Palme ausruhen.



Bilder wie im Paradies, wie zu den alten Zeiten des Pharaos. Nur manchmal durchbrach ein Hotelschiff die idyllische Ruhe und erinnerte uns daran, das wir uns bald dem 20. Jahrhundert nähern. Ich lernte den Nil lieben, den Wind, die Landschaft, die Ruhe, die Kinder, die uns vom Ufer her zuwanken und einige Meter am Ufer nach sprangen. Doch immer gegen Mittag wurde es unerträglich. Die Hitze stieg gegen fünfzig Grad an, die sich im Wasser widerspiegelte, und fast kein Lüftchen regte sich mehr. Obwohl die Ägypter ein Sonnentuch über uns aufgespannt hatten lagen wir da wie tote Fliegen auf dem Deck. Erst am Nachmittag setzte wieder ein kühlendes Lüftchen ein und brachte uns langsam wieder in Stimmung. Um so mehr genossen wir den herrlichen Sonnenuntergang, die Sonne, die innert wenigen Augenblicken hinter den Palmen verschwand. Und bereits eine Viertel Stunde später war es finster. Man sah nur noch die Umrisse, hin und wieder ein Feuer am Ufer, man hörte es lachen, man hörte singen, trommeln und Vogel pfeifen. Bis in die frühen Morgenstunden spürte man das Leben an den Ufern des Nils, die Fellachen, die sich freuten und die Kühle der Nacht genossen.


So gut hatte ich schon lange nicht mehr geschlafen. Ein feines Frühstück, von unserem Schiffskoch Basry zubereitet, genossen wir in vollen Zügen. Früh am Morgen, als wir noch halb schliefen, hatten die beiden Boote am Ufer wieder abgelegt, um den Morgenwind voll auszunützen, damit wir die 229 km in der geplanten Zeit schaffen würden. Wir genossen die Kühle des Morgens. Eine Kamelherde, die vom Sudan her unterwegs war auf die Kamelmärkte in Daraw und in Kairo, lagerten am Wasser, die Tiere stärkten sich mit Nilwasser für den weiten Weg. Da das Schiff immer im Zick-Zack-Kurs hin und her segelte, kamen wir jeweils ziemlich nahe an die Ufer, so dass man das Leben und Geschehen recht nahe mitbekam. Doch gegen Mittag wurde es drücken heiss. So heiss, dass wir es kaum mehr aushielten und alle eine kühlende Erfrischung im Nil genossen. Unser Reiseleiter hat uns versichert, dass die fliessenden Teile des Nils gesundheitlich weniger bedenklich wären als die stehenden Wässer am Ufer oder in Buchten. Und die gefährliche Bilharziose-Krankheit, die Saugwürmer im Wasser, seien eher an den stehenden Wässer, wo die Temperaturen auch wärmer wären, anzutreffen. Und für uns war der Nil so zur Selbstverständlichkeit geworden, so dass man uns nicht lange überreden musste. Die ägyptischen Kinder und Erwachsenen badeten ja auch alle im Nil, doch ist auch ein rechter Teil der Nilbevölkerung von Bilharziose befallen. Auf alle Fälle haben wir die kühlenden Bäder im Nil heil überlebt, doch die Strafe Pharaos befiel auch uns und wir hatten alle Durchfall, was auf einer Felluke zu einigen Problemen führte. Denn immer wenn jemand dringend ein Bedürfnis verspürte, dann musste der Bootsführer am Ufer anlegen, was immer einige Minuten dauerte. Und kam war eine Felluka am Strand angelegt, so kamen von allen Seiten her zahlreiche neugierige Kinder gerannt, die uns bestaunten und scheu nach "Bakschisch" oder nach "Pen" oder "Parfüme" fragten. Nur mit Mühe fand man dann jeweils ein stilles Örtchen hinter einer Palme oder einer Bananenstaude.




Nach fünf Tagen und Nächten auf dem Nil erreichten wir langsam unser Ziel Luxor. Plötzlich entstand Aufregung an Bord, man kramte die Nessesairs hervor, Spiegel, Rasierer, denn es hiess, wir gingen im Hotel Mövenpick Jolly Ville oberhalb von Luxor ein Eis essen. So auf ein Eis hatte ich mich in meinem ganzen Leben noch nicht gefreut wie auf dieses. Denn wir hatten gerade wieder einen heissen Mittag hinter uns. Nach dem Eis segelten wir nach Luxor hinunter. Kurz vor Luxor legten wir an einer kleiner Insel an. Unsere Besatzung hatte einen Abschiedsabend für uns organisiert, ein Feuer angezündet und ein grosses Festmahl mit orientalischen Köstlichkeiten für uns bereitet. Selbst einige ägyptische Musiker haben sie für uns bestellt. Nach einem langen herrlichen Abend legten wir uns neben dem Feuer ein letztes Mal in den Schlafsack, während etwas weiter unten auf der anderen Nil-Seite schon wieder Autohupen zu hören war und die Zivilisation auf uns wartete. Diese fünf Tage werde ich nie vergessen, die Natur, die Landschaft, das herrliche Essen mit frisch gefangenen Fischen, die unser Koch irgendeinem Fischer direkt ab seinem Boot abkaufte, aber auch nicht die langen Abende, als es dunkel und endlich kühl wurde und unser Schiffskoch die Trommel hervorholte und zu schnellem Rhythmus arabische Lieder sang. Heute, wenn ich auf einem Hotelschiff den Nil hinauf- oder hinunterfahre, und uns eine Felluka kreuzt, so komme ich sofort wieder ins träumen. Nach dieser Reise hatte ich noch recht lange gesundheitliche Probleme, mein Durchfall wollte trotz zweimaliger Antibiotika-Kur nicht recht verschwinden. Dafür kann ich heute problemlos ein Glas Leitungswasser in Ägypten trinken, ohne gleich Pharaos Rache zu fürchten. Obwohl eine mehrtägige Fellukafahrt ein einmaliges Erlebnis ist, ist aus gesundheitlichen Gründen eher davon abzuraten. Auch wenn man nicht im Nil badet, auch wenn man brav das mitgenommene Mineralwasser trinkt, so wird trotzdem das Geschirr im Nil gewaschen und mit Nilwasser gekocht. Doch irgendwann werde ich vielleicht wieder einmal eine Felluka-Fahrt machen, Inshallah! Denn ich habe mich in den Nil verliebt. Obwohl ich schon etliche Male Ägypten bereist habe, so war dies doch mein schönstes Erlebnis im Land der Pharaonen.




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© Text und Bilder: Willy Forster, Urdorf


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